Kritik: „Ma – Sie sieht alles“ – Tate Taylor

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Packend, beklemmend, psychologisch – genauso kennt man die Filme von Blumhouse. In den letzten Jahren hat diese Produktionsfirma bewiesen, dass es sich in der Kinolandschaft noch weit nicht ausgegruselt, sondern sich eine neue Welle des Horrorfilms aufgetan hat. In ihrem neuesten Genrevertreter soll Octavia Spencer für Unruhe sorgen und das Grauen in der Schwebe halten. Dafür hat sie sich mit Regisseur Tate Taylor („Girl on the Train“) zusammengetan, für dessen Film „The Help“ sie 2012 auch ihren Oscar gewann und nun in Ma in eine unerwartete, jedoch experimentierfreudige Rolle schlüpft. Auch Oscarpreisträgerin Allison Janney („I, Tonya“) und Schauspieler Luke Evans („Die Schöne und das Biest“) reihen sich in den Cast ein, aber reichen diese Faktoren wirklich aus, um einen guten Horrorfilm zu produzieren?

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Quelle: Universal Pictures

Der Zuschauer wird gerade so in die Handlung reingezogen und mit den Charakteren vertraut gemacht. Allen voran steht die Protagonistin Maggie (Diana Silvers) und ihre Freundesclique, welche die Handlung erfrischend auflockern. Tate Taylor schafft es zwischen den Horror-Momenten humorvolle Einschübe aufzubringen und durch die Freundesclique und ihr Schulleben Coming-Of-Age ähnliche Sequenzen dazwischen zu flechten. Zwar reift er dies nicht so weit aus, wie es Andy Muschietti es in der Neuverfilmung von Stephen King’s „Es“ macht, jedoch kommen die Elemente aus Freundschaft, erster Liebe und Familie der Handlung nur zu gute. Wobei man hier dem Film auch einiges verzeihen muss, um ihn wirklich zu genießen – zwar performen die Jungschauspieler alle solide, ihre Figuren handeln jedoch umso unvernünftiger und naiver. Ma bedient sich dort an den gängigsten Filmklischees, denn genau diese Handlungsstränge hat man schon aus zig Verfilmungen gesehen: die typische Liebesromanze, das draufgängerische Cliquenoberhaupt oder der Klassenclown – von innovativem Storytelling kann man hier nicht sprechen.

Vielleicht – oder gerade deswegen ist es umso erfrischender eine Octavia Spencer zu sehen, die in ihrer Rolle nahezu aufblüht. Sie schafft es als rachsüchtige Unruhestifterin immer wieder für närrisch paradoxe Momente zu sorgen, überzeugt aber ebenfalls in ihren ernsteren Augenblicken. Ihre Mimik bietet eine Bandbreite von ’netter Nachbarsfrau von Nebenan‚ bis hin nach persönlicher Vergeltung strebenden Außenseiter, welche den Zuschauer nicht von der Figur losreißen lassen. Im Gegenteil, das Skript lässt einen beim Schauen immer wieder aufs Neue fragen, zu was Su Ann bloß fähig sein mag.

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Niemand sollte sich mit ihr anlegen: Maggie (Diana Silvers) trifft auf Ma (Octavia Spencer)

Obwohl der Film es in seiner Laufzeit von 99 Minuten zu unterhalten schafft und ein Unbehagen in einem auszulöst, besonders je mehr Blut im Spiel ist, zeugt die Handlung von Ma keinesfalls von Originalität. Umso belebender ist es jedoch, dass nach „Wir“ von Jordan Peele nun schon zum zweiten Mal dieses Jahres eine dunkelhäutige Frau die Hauptrolle in einem Horrorfilm spielen darf. Nichtsdestotrotz wäre es wünschenswert gewesen die sporadisch gezeigten Rückblenden aus Ma’s Vergangenheit auf kreativere Weise mit in die Handlung einfließen zu lassen, denn letztendlich verschenkt der Film so sein Potential, in dem er den Zuschauer doch nur auf der Oberfläche kratzen lässt und nicht weiter in die Tiefe geht, um in den mysteriösen Kopf von Octavia Spencer’s Figur Su Ann hineinzublicken.

Orientiert wird sich an klaren Stilelementen des Horor-Genres, aufgrund des Hin und Her Pendelns zwischen erwartungsvollem Suspense und blutigem Splasher, jedoch in seinem letzten Drittel immer mehr in den erzählerischen Wahnsinn abdriftet und den Kinogänger immer mehr an seiner Glaubwürdigkeit zweifeln lässt. Zwar überzeugt Tate Taylors neuester Horrorstreifen mit stimmigen Bildern und dem nötigen Unterhaltungsfaktor, jedoch fühlt sich der Film nach wie vor immer mehr nach einem B-Movie an, der bloß zur Unterhaltung gilt, obwohl der aussichtsvolle Cast zur mehr erhoffen ließ.

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Quelle: Universal Pictures
Unterm Strich kann „Ma“ keinesfalls mit manch anderen Genrevertretern mithalten, die nur so von Kreativität sprühen und das Rad von Horrorfilmen neu auffrischen. Wenn man sich jedoch damit abfindet, dass man bloß einen mittelmäßigen Film vorgesetzt bekommt, der trotzdem an der ein oder anderen Stelle eine überraschende Wendung einnimmt, der wird bei diesem Popcornkino schon seine Freude finden. Das erzählerische Muster passt zur Geschichte, kann aber besonders durch den Schluss nicht vollständig beglücken, stattdessen driftet die Geschichte in der letzten Viertelstunde schon fast zur Absurdität ab. Der finale Twist wirkt wie ein letztes Zugeständnis an das gesamte Genre, welches den Zuschauer jedoch pessimistisch aus dem Werk entlässt. Nichtsdestotrotz muss man dem Regisseur trotzdem dafür loben, einen solch zugänglichen Film geschaffen zu haben, der das Interesse von weitaus mehr Menschen als nur Horror-Fans erwecken und sich bei „Ma“ willkommen fühlen lässt!

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